Kunstrückgabebeirat: Zwei Empfehlungen beschlossen

Der österreichische Kunstrückgabebeirat sprach in seiner 102. Sitzung am 29. Juni 2023 zwei Empfehlungen zu Objekten aus der Österreichischen Nationalbibliothek aus.

Österreichische Nationalbibliothek

Im Fokus standen zunächst zahlreiche Druckschriften und – aus der Abteilung Bildarchiv und Grafiksammlung – Negative, Positive sowie Porträt-Druckwerke, Aquarelle und Handzeichnungen, die während der Zeit des Nationalsozialismus von der Gestapo sämtlich der Nationalbibliothek zugewiesen wurden. Der Beirat kam daher zum Schluss, dass es sich bei diesen Zuweisungen um NS-verfolgungsbedingte Entziehungen handelte. Nachdem die Voreigentümer:innen auch nach jahrelanger Provenienzforschung nicht identifiziert werden konnten, wurde die Übereignung der Objekte an den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus empfohlen.

Eine eindeutige Zuordnung hingegen ist im Fall eines Mahzor aus dem Jahr 1415 möglich: Wie die Forschungen ergaben, wurde das jüdische Gebetsbuch 1842 von Salomon Mayer Rotschild erworben, der es seinem Sohn Anselm Salomon schenkte; laut der hebräischen Widmungsinschrift möge die Pergamenthandschrift „für kommende Generationen“ im Familienbesitz bleiben. Zuletzt gelangte der Mahzor im Erbweg an den Urenkel des einstigen Käufers, Alphonse Rothschild, der eine berühmte und umfangreiche Kunstsammlung besaß. Die Familie war nach dem „Anschluss“ 1938 von den umfassenden Beschlagnahmen der Nationalsozialisten betroffen; Alphonse Rothschild verstarb 1942 im US-amerikanischen Exil. Der Beirat sah daher keine Veranlassung, anzunehmen, dass sich die Familie Rothschild aus freien Stücken von dem Gebetsbuch getrennt hat, und empfahl dessen Rückgabe.

(29.06.2023)