Sabine Jelinek
2001 bewohnte ich eine Wohnung im 20. Stock eines Apartmenthauses in Manhattan mit atemberaubend schönen Aussichten auf die Stadt, das Chrysler Building, das Empire State Building oder die Türme des World Trade Centers. Durch die hohe Lage und verhältnismäßig großen Fensterflächen, die fast bis zum Boden reichten, fühlte man sich darin nie wirklich sicher. Der Blick in den Außenraum war quasi immer durch schmale Linien und Spiegelungen gebrochen, vermehrfacht und zerschnitten, wie bei einem Kaleidoskop.
Nach 9/11 sollte sich dann dieser Stadtblick abrupt ändern. In den Morgenstunden erlebte ich den Brand und Zusammensturz der Türme des World Trade Centers von eben diesem Apartment aus. Ich war wie paralysiert und fühlte mich plötzlich wie eine Gefangene an diesem Ort der tausend Möglichkeiten. […] Das einzige meiner Bilder dieses Moments, das für mich seine Relevanz und Gültigkeit bis heute behalten hat, ist dieser Fensterausblick auf die Türme des World Trade Centers. Es war mein erster Blick an diesem Morgen auf das Unfassbare, was da gerade geschah. Dieser sehr persönliche Blick ist auch ein ganz anderer, als all jene, die man in den Wochen und Monaten danach zu sehen bekam. Er hat mich lange begleitet. Ich fuhr 2011, 10 Jahre nach 9/11 wieder nach New York, um die Trauerfeierlichkeiten dort mit zu erleben und habe dieses Fenster mit seinem jetzigen Ausblick erneut festgehalten (reenacted). (Sabine Jelinek 2014)
Sabine Jelinek,
* 1969 in Wien, Universität der Künste Berlin und Akademie der bildenden Künste Wien; Atelier-Stipendien Rom, London und New York, Staatsstipendium für künstlerische Fotografie; Ihre Arbeiten waren unter anderem im Kunstraum NÖ, der Galerie IG Bildende Kunst, der Galerie Westlicht und der Kunsthalle Wien, in der Kulturstiftung Schloss Britz, Berlin, bei der Triennale Linz und in der Galerie 5020 Salzburg zu sehen. Sie lebt und arbeitet in Wien und Linz.
Website: www.sabinejelinek.at