Christian Mayer
Bibi und Büberl waren 2 Kanarienvögel, die im 19. Jahrhundert lebten. Sie gehörten dem österreichischen Kaiser Franz I. Ihr Käfig stand im Regierungszimmer des Monarchen. Wenn ihn die exotischen Melodien melancholisch stimmten, sah er aus dem Fenster und musste an seine Tochter Leopoldine denken. Sie wurde einige Jahre zuvor mit dem Portugiesischen Prinzen Piedro I. vermählt. Gemeinsam waren sie die ersten und letzten Kaiser Brasiliens gewesen. Leopoldine war in dieser Ehe sehr unglücklich und verstarb schon 9 Jahre später im Alter von 29 Jahren in Rio de Janeiro. Die Vögel überlebten schließlich ihren Herrn. Nach ihrem Tod wurden sie ausgestopft und wie lebendig auf einen Ast gesetzt. Auf dem Sockel wurde eine Inschrift über ihr Leben angebracht, die klingt, als wäre hier von historisch bedeutsamen Figuren die Rede:
"Bibi und Büberl – Glückliche Vögel! Ihr erheitert durch euren Gesang den besten der Kaiser. Es lächelt euch sein freundliches Auge! Euch ward zuweilen vergönnt auf seinem heiligen Haupte zu ruhen. Büberl wurde 14 Jahre alt und endete am 4. April 1837, 2 Jahre, 1 Monat und 2 Tage nach seinem Herrn. Bibi folgte 7 Monate später."
Das Vogelobjekt war für die kaiserliche Familie ein persönliches Erinnerungsstück an den geliebten Kaiser. Heute ist es in einem Museum in Wien ausgestellt und zum Relikt einer allgemeinen Historie geworden. Es scheint, als könnten die Vögel auch heute noch eine ganze Reihe von Geschichten erzählen, wenn man nur genau genug hinhört.
Christian Mayer,
* in Sigmaringen, Akademie der Bildenden Künste Saarbrücken und Wien, Glasgow School of Art; MAK Schindler Stipendium LA, Staatsstipendium BMUKK, Grant Kunststiftung Baden-Württemberg, Kardinal-König-Kunstpreis; Prunkstall, Belvedere Wien, Galerie Christian Nagel Antwerpen und Berlin, Galerie Mezzanin Wien, Appartement 2, Los Angeles. Er lebt und arbeitet in Wien.